Erleuchtung und Satsang – Thomas Schmelzer

von Redaktion

Das letzte Ziel einiger spiritueller Traditionen und Wege ist „Erleuchtung“. Was ist das eigentlich? Kann man dies überhaupt in Worte fassen – vor allem aus der Sicht eines nicht Erleuchteten? Eigentlich nicht. Und doch will ich den Versuch unternehmen, einige für mich bedeutsame Erkenntnisse, Erfahrungen und stimmig scheinende Zitate darzubringen.

Beliebt ist heute der Weg des Advaita. Aber eigentlich hat dieser Weg gar keinen Namen. Es ist ein Weg, den auch die Mystiker der Sufis und des mittelalterlichen Christentums gegangen sind. Heute trifft man sich eben im „Satsang“. Der amerikanische Autor und Psychologe David R. Hawkins meint, dass die Wahrheit nur subjektiv erfahrbar ist. In und durch jeden Menschen scheint diese Wahrheit sich anders zu manifestieren. Auch heißt es, alle Worte oder spirituellen Traditionen, die darauf hinweisen, kann man wie ein Floß ansehen, das uns sicher ans andere Ufer trägt. Sind wir dorthin angekommen, brauchen wir dieses Floß nicht mehr.

Oder: Spirituelle Texte, Lehren, Gurus sind wie der Finger, der auf die Wahrheit deutet. Wir sollten nur nicht uns in den Finger verlieben, sondern mit ihm dorthin sehen, worauf er deutet. Brauchen wir dazu einen Guru? Im alten Indien schien dies ohne Ausnahme eine feste Regel gewesen zu sein. Dort heißt es auch, Unser wahres Inneres Selbst, der Guru und Gott – sind Eins. Oft ist es die Begegnung mit einem Meister oder einem Menschen, der einfach schon weiter ist auf dem Weg, wo Entscheidendes geschieht. Plötzlich öffnet sich das Herz, plötzlich lösen sich viele alte Verkrampfungen. Vielleicht gibt es heute einfach viel mehr dieser Meister, und vielleicht ist es heute auch einfacher geworden, weil sich die Energie auf der Erde verändert. Letztlich aber heißt es auch hier: Was stimmt für Dich?

Die „Ich bin“ – Übung

Unser Verstand, mit dem wir uns so gerne identifizieren und meinen „Ich denke, also bin ich“ – anstatt zu sagen „Ich bin, also denke ich“ – ist wie eine Horde wilder Affen in einem Baum, so ein indisches Sprichwort. Er kommt nie zur Ruhe, plappert herum, strickt die tollsten Theorien, mit denen er sich selbst und die Welt erklärt. In der Meditation können wir erfahren, dass es möglich ist, diese Gedanken zu beobachten. Eine wirklich praxisnahe und effektive Übung, die uns mit anderen Ebenen des Seins verbindet, lehrte Ramana Maharshi, ein indischer Meister, der heute von vielen „Erleuchteten“ und „Satsang-Lehrern“ zitiert und verehrt wird. Er geht davon aus, dass es eigentlich nur eine Sache gibt, derer wir uns sicher sein können: Dass Wir Sind.

Dieses „Ich bin“ kann in uns immer tiefer erfahren werden, so tief, dass alles andere, so auch unser Denken und Fühlen, für eine gewisse Zeit still wird. Die Übung ist eigentlich ein Fragespiel. Die Frage heißt: „Wer bin ich?“. Es beginnt mental, logisch, indem wir feststellen: Klar, ich bin ich, HABE den Namen so und so, HABE den Beruf… Je tiefer ich blicke, umso klarer wird, dass „meine“ Gedanken kommen und gehen, die Gefühle kommen und gehen. Ich kann sie beobachten – mein Ich ist also etwas anderes als diese Gedanken und Gefühle. Es ist das Einzige, das stetig bleibt. Ich Bin.

In dieses „Ich bin“ kann ich mich immer tiefer hineinfühlen. Ich kann fragen: „Woher kommt dieses Ich bin?“ oder „Was ist die Quelle des Ich bin?“. Was als Gedankenspiel beginnt, und was uns manchmal zweifeln lässt, ob das je zu etwas führt, verändert sich irgendwann. Entscheidend dabei ist ein wirklich ehrliches Fragen und Wissen wollen. Irgendwann in diesem intensiven Fragen verschwinden plötzlich die Gedanken, manchmal der Fragende, und es wird ein Frieden spürbar. Oder Stille, Klarheit. Das kann auch zunächst befremdlich sein – ist aber meist mit einem sehr angenehmen Gefühl verbunden, ein Gefühl, das uns vermittelt: So falsch kann das gar nicht sein, was ich hier mache… Dies konsequent, spielerisch, aber immer ernsthaft eine Weile ausprobiert führt zu Erfahrungen, unwiderruflich. Der Rest – so Ramana – besteht dann einfach darin, diesen Zustand beizubehalten, bis keiner mehr da ist, der fragt.

Was ist Satsang?

Tja. Das ist dann auch eines der am schwersten zu verstehenden Dinge, die oft gesagt werden: Da ist keiner mehr. Spätestens hier wird auch klar, dass der Weg zur Erleuchtung ein ganz anderer ist, als ein sogenannter spiritueller Weg. Hier geht es nicht darum, sein spirituelles Ego, den Körper, die Seele, die Gefühle und alle möglichen Muster zu transformieren, zu veredeln. Oder seine 12 Körper für den Aufstieg vorzubereiten und hellsichtig zu werden. Bei dem Weg, so wie er von Ramana & Co. gelehrt wird, geht es um nichts Geringeres, als in Gott, in der Wahrheit, in der „Wirklichkeit“ aufzugehen. Und dies ist für unseren Verstand gar nicht vorstellbar, weil die Erfahrung jenseits des Verstandes geschieht.

Vielleicht gibt es ja auch viel mehr Erleuchtete, und nur einem kleinen Teil gelingt es, diese Erfahrungen in Worte zu fassen, und ein noch kleinerer Teil hat den Impuls, dies auch andern Menschen mitzuteilen, wohl wissend, dass viele es missverstehen werden und im ungünstigsten Falle eine neue Religion darum bauen. Das Schöne an der relativ neuen „Satsang“–Bewegung ist aber, dass es gar nicht wirklich eine Bewegung ist. Es gibt keine Regeln, keine Dogmen, keine Mitgliedspflicht. Satsang heißt „Zusammensein in der Wahrheit“. Ein bis zum gewissen Grade „Erwachter“ lädt zu einem gemeinsamen Abend ein, an dem meditiert und vor allem gesprochen wird. Eine Unterhaltung.

Dummerweise sind sich die Freunde des „Satsang“ überhaupt nicht einig, wer denn wirklich ein Erleuchteter ist, und wer nicht. So gibt es Fans von Pyar, Samarpan, Arthur oder Isaac, um nur einige zu nennen. Wenn solche Begegnungen auch eine Hilfe sein mögen, und manche Bücher gute Hilfen und Anregungen sind – die eigentliche „Arbeit“, oder nennen wir es Beschäftigung, Praxis, geschieht dann doch mitten im Leben. Es ist ja ganz nett, wenn ich im Satsang – später zuhaus – im stillen Kämmerchen in deiner gewissen Stille sein kann. Das ist ja schon ein Fortschritt, diesem inneren Stille näher gekommen zu sein, aber: Wie geht es mir im bunten, verrückten Leben mit all seinen Verführungen, „Gefahren“ und Problemen? Ein Mensch, der sich einmal auf den Weg gemacht hat, wesentliche Fragen zu stellen (und der bereit ist, auch die Antworten zu hören), der wird schnell mit seinen derzeit größten Problemen konfrontiert. Sie erscheinen noch klarer als bisher. Da heißt es dann: Ruhig Blut, schau nicht weg, habe Geduld, aber bleib dran!

Ich finde ja, Spiritualität darf auch Spaß machen und sollte nicht so bierernst genommen werden – eine typisch deutsche Tugend. Wir alle sind nur Menschen, und die sogenannten Erleuchteten ebenso. Oft sind es ja gar nicht die Meister, sondern die Anhänger, die ein Riesen Brimborium darum machen.

Manche Lehrer haben auch eigentlich gar keine Lust, Ihr Wissen weiterzugeben. Karl Renz beispielsweise hatte sich so entschieden – und wurde prompt krank, konnte nicht mehr schlafen. Nach langer „Leidenszeit“ meinte er dann: Okay, wenn´s sein muss – und sofort war er gesund. Renz ist auch ein schönes Beispiel für jemanden, der wohl aus der „Ich bin“ Tradition inspiriert wurde, aber regelmäßig verkündet: „Ich kann Euch nichts vermitteln“ bis hin zu „Euch ist nicht zu helfen“. Renz wirft alle Konzepte über den Haufen, die man von einem „Lehrer“ erwartet – und ist doch ein großartiger, witzig-konfrontativer Wegweiser: In seinen Satsangs treffen sich recht selbstbewusste Leute, es wird viel gelacht und überhaupt nicht verehrt. Am Ende hat er alle Annahmen, alle Konzepte, alle Wünsche zerlegt und verwirrt – und klar gemacht: Dein Verstand kann niemals wissen, worum es wirklich geht! Überhaupt fehlen die Worte für das, was in der Stille tatsächlich erfahren werden kann.

Also: Wenn Sie noch nie auf einem Satsang waren, probieren Sie es aus! Wenn Sie noch nie in die Stille gegangen sind – probieren Sie es doch mal!

Thomas Schmelzer

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2 Kommentare

Lebender Lachsack 3. April 2013 - 23:58

Im Buddhismus wird Heiterkeit als ein Merkmal der Erleuchtung angesehen 🙂

Darlene Srey 30. April 2010 - 02:09

Nur ein sehr europäischen Gedanken baut eine Bilderwelt, die Panoramabild-Landschaften hat, schneebedeckte Berge, weite Wiesen, flache Täler, malerische Landschaft vor unseren Augen seine eine Beschreibung, die so erfrischend und beruhigend ist, als käme sie direkt aus das Märchenbuch.

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