Kali

von Lexikon

Hinduist. Göttin. Die frühesten Zeugnisse von Kali in der Hindu-Tradition entstanden ca. 600 n.u.Z. Sie zeigen Kali entweder auf dem Schlachtfeld oder in Situationen am Rande der Hindu-Gesellschaft. Immer hat sie ein schreckliches, erschreckendes Aussehen. Sie wird immer schwarz oder dunkel dargestellt (→ Farbe) und üblicherweise auch nackt. Sie hat langes, aufgelöstes Haar. Sie ist mit mehreren Armen als eine Art Gürtel geschmückt, trägt frisch abgeschlagene Köpfe als Halskette, Kinderkörper als Ohrringe und Schlangen als Armreifen. Sie wird mit langen scharfen Schneidezähnen und häufig mit klauenartigen Händen und langen Fingernägeln dargestellt. Ihre bevorzugten Lieblingsorte wie Friedhöfe verstärken ihre Schrecken erregende Erscheinungsweise.
In ihrer Beziehung zu → Shiva bleibt Kalis Neigung zur Wildheit und Unordnung erhalten. Auch wenn sie manchmal anscheinend von ihm gezähmt und besänftigt wird, verführt sie Shiva zu gefährlichem, zerstörerischem Verhalten. In Abbildungen beherrscht Kali meistens Shiva. Gewöhnlich steht oder tanzt sie auf ihm; beim Geschlechtsakt ist sie immer über ihm. Im Allgemeinen kann man sagen, dass Kali eine Gottheit ist, die Stabilität und Ordnung bedroht.
In den späteren → Tantras, insbesondere den sexuell freizügigen, wird Kali als größte aller Gottheiten bzw. höchste Wirklichkeit dargestellt. Im Nirvana-Tantra werden die Götter Brahma, Vishnu und Shiva aus ihr wie Blasen aus dem Meer geboren, endlos entstehend und vergehend, wobei die Quelle unveränderlich bleibt.
Kala bzw. kali ist die → Zeit. Sie verschlingt alles und ist die ursprüngliche Form der Dinge. „Auch wenn du eine Form hast, bist du formlos. Auch wenn du ohne Anfang bist, vielfältig durch die Kraft der → Maya, bist du der Anfang von allem, die Schöpferin, die Beschützerin und die Zerstörerin“, heißt es im Mahanirvana-Tantra.
Die Figur der Kali offenbart Tod, Zerstörung, Furcht, Schrecken, die alles verschlingenden Aspekte der Wirklichkeit. Insofern ist sie auch das Verbotene an sich, denn sie ist der Tod. Der tantrische Held stellt sich nicht gegen die Furcht, ignoriert sie nicht oder vermeidet das Verbotene nicht. Während des Pancatattva-Rituals konfrontiert sich der Übende mit Kalis Eigenschaften, um auf diese Weise sie in sich zu transformieren und so zu einem Gefährt der Befreiung zu werden. In Indien gibt es viele Gruppierungen und Tempel, in denen Kali verehrt wird. Viele der Sekten sind wie Geheimorden organisiert.

Ähnliche Beiträge