Gabriele Sigg und Ronald Engert – Wissenschaft und Spiritualität

von Thomas

Tattva Viveka, seit langem ein Medienpartner von uns, setzt sich seit Jahrzehnten für den Dialog unterschiedlicher Disziplinen und Denkweisen ein, vor allem für die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Spiritualität. Nun haben die die Macher des Printmagazins Ronald Engert und Gabriele Sigg einen einzigartigen Onlinekongress zu diesem Thema ins Leben gerufen. Hier ihr Plädoyer über die Wichtigkeit dieses Dialogs:

 

Die Verbindung der Welten: Auf dem Weg zu einem neuen Paradigma

Bisher waren diese beiden Welten – die Wissenschaft und die Spiritualität – getrennt. Die moderne Wissenschaft umfasst das rationale und vernünftige Denken, das sich an dem Diesseits orientiert, an dem, was man beweisen kann, weil man es messen und wiegen kann. Das Spirituelle hingegen ist in der Regel das, was man materiell nicht beweisen kann, was jenseits des rationalen Denkens liegt und etwas anderes als die Vernunft ist. Das Spirituelle ist nicht materiell, d.h. man kann es nicht messen und nicht wiegen. Es erschließt sich dem inneren Gefühl, der Intuition oder dem höheren Bewusstsein der Transzendenz.

 

Warum wollen wir das verbinden?

Das heute aktuelle Weltbild ist ein materielles Weltbild. Es ist durch die Wissenschaft und Technik geprägt. Wir leben im Zeitalter der Aufklärung, und das bedeutet Rationalität, Vernunft, „gesunder Menschenverstand“. Die Aufklärung stützt sich auf empirisches Wissen, das wir durch die Erforschung der Natur gewinnen. Seit 300 Jahren sind die Wissenschaft und die Technik auf einem unvergleichlichen Siegeszug. Wir haben die Welt entzaubert und gelernt, die Elemente zu beherrschen. Es brachte uns eine wesentlich bessere Medizin, die viele schwere Krankheiten zu heilen vermag und unsere Lebenserwartung und gesundheitliche Lebensqualität deutlich ausgedehnt hat. Es brachte uns wunderschöne technische Errungenschaften, die unser Leben angenehmer machen wie zum Beispiel elektrischer Strom, Warmwasser, Zentralheizung, Mobilität und Telekommunikation. Menschen müssen nicht mehr in unsäglicher Armut leben, wie dies heute noch in Ländern der Dritten Welt zu beobachten ist, zum Beispiel in Indien, wo heute noch Menschen in primitiven Hütten ohne Strom, Wasserversorgung und Kanalisation hausen. Wenn man das mit eigenen Augen sieht, wünscht man ihnen nur, dass sie endlich ein wenig elektrisches Licht bekommen. Gleichzeitig ist es genauso unerträglich mit anzusehen, wie hier in unseren Wohlstandsländern elektrischer Strom für völlig unnötige Dinge verschwendet wird und die Beherrschung der Elemente auch so umweltbelastende Technologien wie die Atomkraft hervorgebracht hat.

Das alte Weltbild der ungezügelten technischen Entwicklung funktioniert in unseren hoch entwickelten Wohlstandsländern der ersten Welt nicht mehr. Es ist degeneriert und längst über sein Ziel hinausgeschossen, wie man etwa an der Pharmaindustrie sehen kann. Wir wissen mittlerweile, dass eine Umkehr nötig ist. Wir wissen, dass die Natur gefährdet ist und dass wir mit unserem Maschinenbewusstsein langsam selbst zu Maschinen werden. Wir wissen, dass wir den Blick fürs Wesentliche verloren haben.

 

Was ist das Wesentliche?

Wir haben die wirtschaftliche Entwicklung gebraucht, um unser materielles Leben aus Not und Elend herauszuführen. Der materielle Wohlstand ist wichtig und ein Menschenrecht. Nur wenn unsere materielle Existenz gesichert ist und wir hier keine Sorgen haben, können wir uns mit den feineren Dingen des Lebens beschäftigen. Nur weil wir uns materiell und existenziell sicher fühlen, können wir uns mit den inneren Dingen beschäftigen, mit Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung, mit der Seele und der Wahrheit. Nur weil wir gut situiert sind, können wir uns nun auch inneren Frieden und innere Erfüllung wünschen. Auch das ist ein Menschenrecht. Schon hier, in dem individuellen Leben des Einzelnen, können wir sehen, dass das Materielle und das Spirituelle zusammenhängen und eines für sich alleine nicht funktioniert. Wir glauben sehr wohl, dass das Spirituelle, unser inneres Leben, das Wesentliche ist. Jemand mag noch so reich sein, wenn er sich nicht freuen kann, sondern unglücklich ist, dann nützt ihm sein ganzer Reichtum nicht viel.

 

Die Nachteile der Trennung der Welten

Das Zeitalter der Vernunft, die so genannte Aufklärung, hat das alte religiöse Weltbild abgelöst. Seitdem sind wir säkularisiert, d.h. weltlich ausgerichtet. Wir haben Gott und das Heilige in eine Nische verbannt, wo sie immer mehr an Bedeutung für die Gesellschaft und für die wichtigen Entscheidungen verloren haben. Die alte Form der Religion – in unseren Breitengraden das Christentum – existiert noch, aber sie ist zu einer Privatsache geworden oder manchmal, was noch schlimmer ist, zu einer äußerlichen, verkrusteten Form ohne lebendigen Inhalt. Der entfesselte materialistische Kapitalismus tut, was er will. Die Erde, die Natur und die Menschen werden rückhaltlos ausgebeutet, das innere Seelenleben verödet. Die heutige Gesellschaft hat keine Antworten auf die großen Probleme wie Kriege, Ungerechtigkeit und Armut. Der Egoismus beherrscht die Gemüter. Die Gesellschaft verliert ihre traditionellen Werte. Wir erleben Vereinzelung der Menschen und vieles mehr. Die inneren Werte gehen verloren. Die alten Methoden, die die Probleme herbeigeführt haben, mit denen wir jetzt konfrontiert sind, sind nicht geeignet die Lösungen herbeizuführen, die wir jetzt brauchen. Der Versuch, allein mit materiellen Mitteln das Glück der Menschen herbeizuführen, misslingt, denn das wahre Glück ist primär spirituell.

 

Die Vorteile der Verbindung der Welten

Wir glauben, dass uns etwas Wichtiges fehlt, wenn uns das Spirituelle fehlt. Gleichwohl können wir nicht zurück in den Zustand vor dem Zeitalter der Rationalität, zurück zur alten Religion oder einem romantischen Bild vom „edlen Wilden“. Der amerikanische Philosoph Ken Wilber nennt diesen Versuch, zurück in die gute alte Zeit vor der Aufklärung zu gehen, die „Prä-Trans-Verwechslung“, abgeleitet von den Worten „prärational“ und „transrational“. Es geht nicht darum, dass rationale Bewusstsein wieder zurück in ein vor- bzw. prärationales Bewusstsein zu verwandeln, sondern über das rationale Bewusstsein hinaus zu einem transrationalen Bewusstsein zu gehen. Der Unterschied zwischen prärationalem und transrationalem Bewusstsein besteht darin, dass im prärationalen Bewusstsein das rationale Bewusstsein ausgeschlossen wird und im transrationalen Bewusstsein das rationale Bewusstsein integriert bleibt. Wir behalten die Rationalität und gehen einen Schritt weiter. Durch diese Bindung von Rationalität und Transzendenz – oder wie wir es nennen: von Wissenschaft und Spiritualität – können wir das Beste aus beiden Welten nutzen!

Erst in dieser Verbindung können wir das ganze Bild des Menschen und der Welt sehen. Erst in dieser Verbindung können wir das Lebendige wieder integrieren und echte vernünftige Lösungen für die Probleme finden. Die echte Vernunft ist eine, die den spirituellen Anteil des Lebendigen integriert. Der spirituelle Anteil von uns Menschen – das sind Liebe, Wahrheit, Seele, Ewigkeit, Ehrlichkeit, echte Werte, Herzintelligenz, Gewissen, Selbst. Das sind die Dinge, die uns bewegen, die uns motivieren und führen. Es sind die Dinge, um die es wirklich geht. Zum Beispiel erleben wir dies sehr deutlich in Beziehungen, die nur dann nährend und beglückend sind, wenn sie durch Liebe und Wahrhaftigkeit getragen sind. Wir alle sehnen uns nach liebevollen und glücklichen Beziehungen. Selbst dem reichsten Menschen ist es wichtig, Freunde und Familie zu haben. Das sind die wesentlichen Dinge. Indem wir diese weichen Faktoren, diese feinstofflichen, energetischen und spirituellen Inhalte in unsere Vernunft und in die Wissenschaft integrieren, d.h. sie als real ernst nehmen, kommen wir mit unserem Wissen und unserer Erkenntnis zu ganz neuen Ergebnissen. Plötzlich finden sich Erklärungen für viele Dinge, die vorher unerklärbar waren, wie zum Beispiel die elementare Frage: Was ist Leben? Sobald wir aufhören, das Leben auf mechanische, chemische und elektrische Wechselwirkungen zu reduzieren, können wir erklären, was Leben ist. Leben hat seinen Ursprung in der spirituellen Welt. Die Seele belebt unseren Körper und macht ihn so wertvoll und zu einer Quelle der Freude. Aber wenn wir unsere Seele missachten, werden darunter unser Körper und unsere Psyche krank. Wir können sogar geisteskrank werden.

Das Leben wäre so einfach, wenn sich die Wissenschaft, die heute das Monopol auf die Wahrheit hält, für diese Ebene der Transzendenz öffnen würde, anstatt das als Hokuspokus, Aberglaube oder Spinnerei abzutun. Gleichwohl reicht es für spirituelle Menschen nicht, sich als etwas Besseres zu dünken, hochnäsig die Wissenschaft zu verachten – und sich wie Spinner zu benehmen. Wissenschaft ohne Glaube führt zu Zweifel und Glaube ohne Wissenschaft für zu Aberglauben. In den traditionellen Religionsformen kann man diese Ablehnung vernünftiger Einsicht immer wieder beobachten. Dramatischstes Beispiel der Gegenwart sind die islamischen Fundamentalisten, die weltweit Terror verbreiten. Aber auch viele esoterische oder spirituelle eingestellte Menschen verstärken den Aberglauben in der Welt und fantasieren von Zauberkräften, die bar jeder Vernunft sind. Sie richten sich in einfachen Glaubenssystemen ein, die ein halbwegs vernünftiger Mensch berechtigterweise als Spinnerei oder Aberglauben wahrnimmt.

Beide Fraktionen – die Agnostiker und die Esoteriker – müssen sich aufeinander zu bewegen und Offenheit für die andere Seite entwickeln. Dieser Dualismus ist kontraproduktiv. Nur in der Verbindung dieser beiden Welten können wir individuell und kollektiv auf die nächste Entwicklungsstufe des Bewusstseins gelangen. Diese wird eine Kultur des Herzens und zugleich eine der Vernunft sein. Sie wird offen für das Unbekannte und das Fremde sein, weil es schlichtweg die Wahrheit ist, dass Andersdenkende das Recht haben, gehört zu werden. Wir brauchen die Errungenschaften der Wissenschaft und Technik nicht abzulehnen. Wir brauchen die Errungenschaften der Religion und der Spiritualität nicht abzulehnen. Sei einfach offen für beides, nimm’ es in Liebe an. Zeige Aufgeschlossenheit und Bereitschaft. Dann enthüllt sich alles, wie die Sonne am Tag alles erleuchtet. Deshalb möchten wir diese Welten verbinden.

 

Online Symposium “Die Welten verbinden”

Das Online-Symposium zur Verbindung von Wissenschaft und Spiritualität
vom 20.-29. Oktober 2017

Gemeinsam mit hochkarätigen spirituellen Lehrern, Wissenschaftlern, Künstlern und Philosophen machen sich die Veranstalter auf den Weg zu einem neuen Weltbild. Dieses kostenlose Online-Symposium bringt die Welten zusammen. In Einzelinterviews und Diskussionsrunden mit Vertretern der verschiedenen Welten geht es um Themen wie Potentialentfaltung, Kreativität, Geist und Epigenetik, das Nichts, den Raum, weibliches und männliches Prinzip, Materie und Transzendenz, verschiedene spirituelle Traditionen und vieles mehr.

Einfach kostenlos anmelden und sich inspirieren lassen – Hier finden Sie alle Infos: www.wissenschaft-und-spiritualität.de

 

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