Kommunikation beginnt, wo Worte aufhören – Stephanie Purna Erkens

von Redaktion

Seit Jahren schon beschäftige ich mich mit dem Phänomen Kommunikation. Als Dolmetscherin, PR-Managerin und Kommunikationsberaterin lernte ich alle Regeln der funktionierenden Kommunikation: „Lass den anderen immer ausreden! Höre aufmerksam zu! Falle nicht ins Wort! Manipuliere nicht!“ Doch im privaten, intimsten Miteinander mit den Eltern, dem Partner, der Freundin wollten sie oft nicht so einfach funktionieren, die Regeln. Im Laufe der Jahre konnte ich erkennen, dass es da auch noch ein anderes Element gibt: die Gefühle.


Nach wie vor zähle ich Kommunikation zu einer unserer höchsten Künste, die wir nur begrenzt erlernen, jedoch erfühlen können. Immer noch beobachte ich an mir selbst und auch an anderen, dass wir im Miteinander – ganz gleich ob verbal oder nonverbal – die Aufmerksamkeit unbewusst auf das richten, was wir als falsch oder als richtig betrachten. Dabei scheint es fast schon egal, ob der andere nun richtig oder falsch liegt, oder wir selbst. Während der eine Selbstkritik übt, verlagert der andere die Kritik lieber auf das Gegenüber, je nachdem, welches Muster uns unsere Eltern vorgelebt haben. Die Tatsache, dass wir nicht gelernt haben zu kommunizieren, heißt für mich jedoch noch lange nicht, dass wir unfähig sind zu kommunizieren.

Kommunikation ist mehr als Worte

Das Leben mit meiner Mutter war eine meiner größten Herausforderungen in punkto Kommunikation. Zwei Menschen, die von zwei verschiedenen Planeten zu kommen schienen, die sich jahrelang miteinander zu arrangieren versuchten. Kommunikation schien nicht möglich. Was immer sie sagte, empfand ich als Anklage, Tadel oder Vorwurf, was immer sie tat, empfand ich als Ungerechtigkeit, als Gemeinheit, als Strafe. Stets fühlte ich mich missverstanden, verraten oder betrogen. Und ich wusste mich nicht anders gegen sie durchzusetzen, als zu rebellieren oder zu kollabieren. So hielt ich das Feindbild Mutter jahrelang aufrecht, bis sie ganz unerwartet schwer erkrankte und ich andere Seiten an ihr entdeckte. Das Bild wandelte sich.

Nun lag sie da, am Ende eines sechsjähriges Kampfes mit der unberechenbaren Parkinsonschen Krankheit. Tückisch setzt diese nach und nach die Motorik lahm und engt das Herz ein. Nachdem sie ihr schon die Fähigkeit zu sprechen genommen hatte, war meine Mutter nun auch nicht mehr in der Lage zu essen. Ihre Hilflosigkeit berührte mich zutiefst, und ich konnte spüren, wie sie mich näher zu ihr hinführte. Hier stand ich nun an ihrem Bett und blickte in ihre Augen; sie waren so weich und offen. Und ich fragte mich, ob sie wohl immer so gewesen waren. Ich erinnerte mich nicht, ihr jemals so nah gewesen zu sein. Auf einmal war sie so präsent und fühlbar in ihrer Ganzheit. Ich spürte Liebe für sie und konnte diese ganz einfach vermitteln. Gleichzeitig konnte ich spüren, wie diese sie erreichte – ohne Worte schien Kommunikation plötzlich so einfach und so tief, so wie wir auch mit allen anderen Wesen der Natur auf natürliche Weise in Kommunikation treten.

Für mich waren dies die schönsten, heilendsten Momente, die ich mit meiner Mutter hatte. Manch einer mag denken, „wie traurig“, für mich waren die vielen Jahre, in der wir Kommunikation miteinander versuchten, aber keine haben konnten, viel „trauriger“. Hier, in einem Moment der Stille, begann ich zu verstehen, dass Kommunikation so viel mehr ist als Worte, und dass die Worte, die wir tagtäglich austauschen, die wir permanent hören oder lesen, uns nicht wirklich oder nur zu einem Bruchteil erreichen. Worte übermitteln lediglich die Information, die Frequenz, sie schaffen Resonanzen. Durch unsere Haltung, Gestik, Mimik, Stimme, Kleidung oder unseren Umgang mit dem Raum tauschen wir wortlos Botschaften aus. Unsere innere Einstellung zum Gesprächspartner und zur Sache beeinflusst unser kommunikatives Verhalten.

Tatsächlich haben Sprachwissenschaftler längst heraus gefunden, dass uns nur 7 Prozent der gesprochenen Worte erreichen. Viel mehr empfangen wir die Töne, die zwischen den Worten liegen, oder anders ausgedrückt, erreichen uns die Emotionen, die die Worte begleiten, positiv wie negativ. Der Ton macht die Musik – ein altes Sprichwort – wie wahr! Nur 35 Prozent macht die Kommunikation mit Worten aus, zu 58 % besteht unsere Kommunikation aus reiner Körpersprache.

Fühlen, innehalten, ausdrücken

Wie trete ich heute mit Menschen in Kommunikation, die ihre wahren Gefühle nicht zeigen können? Ich habe Mitgefühl, und ich begegne ihnen mit höchster Vorsicht. Ich bin mir bewusst, dass ich nicht mehr zwölf Jahre alt bin und dass hier nicht meine Mutter vor mir steht. Ich spüre, ob und wie ich mit den Gefühlen des anderen umgehen kann. Oft nehme ich noch den Impuls wahr, zurückzuschlagen oder wegzulaufen, wenn ich mich bedroht fühle. Und ich folge ihm immer weniger. Stattdessen habe ich gelernt, mehr und mehr auszudrücken, wie ich mich fühle, dass ich mich beispielsweise zurückziehen möchte, dass ich Angst empfinde, dass ich nicht Zielscheibe sein möchte. Und je mehr ich meinen Gefühlen Raum geben kann, umso mehr spüre ich, wie sich zwischen mir und meinem Gegenüber etwas entspannt. Und es erscheint mir immer wieder aufs Neue wie ein Wunder, dass mein Gegenüber sich ebenso präsent und offen mitteilen kann. Diese Erfahrungen machen mich manchmal betroffen, ein anderes Mal berühren sie mich.

Heilung durch wahre Kommunikation

Meine Mutter konnte mich nicht lehren, zu kommunizieren oder meine Gefühle auszudrücken. Stattdessen lehrte ich am Ende meine Mutter, und ich spüre heute noch, Jahre nach ihrem Tod, ihre Dankbarkeit ebenso stark wie meine eigene. Ich konnte sie in Frieden gehen lassen, und ich konnte ihr noch in Ruhe vermitteln, was ich an ihr vermisst und was ich an ihr geschätzt hatte, was mich verletzt und was mich versöhnt hatte. Ich konnte ihr verzeihen und ich konnte ihr helfen, mir zu verzeihen. Sie starb nur wenige Tage danach. Ich verabschiedete mich mit einem großen Strauß roter Rosen.

Erst Jahre nach dem Tod meiner Mutter fand ich heraus, dass ihr Vater ein Choleriker gewesen war, der sich vom Leben betrogen und verraten fühlte. In diesem Moment fühlte ich mich ihrem Schmerz noch einmal ganz nah, und ich verstand, wie die Muster sich in uns fortsetzen. Auch begann ich zu verstehen, dass wir immer eine Wahl haben, ob wir vor diesen Mustern fortlaufen oder ob wir uns ihnen stellen, sie erkennen, fühlen und verändern wollen.

Inzwischen machen mir Menschen, die sich nicht leicht tun, ihre Gefühle zu zeigen, keine Angst mehr. In gewisser Weise sind sie mir sogar die liebsten und wichtigsten Freunde geworden, denn sie fordern mich heraus, holen mich aus meinem Versteck. Wenn ich mich zurückziehe, suchen sie mich als Zielscheibe, und ich habe die Wahl zu kämpfen oder einfach nur da zu bleiben und zu verstehen.

Mit jedem Schritt Heilung, den ich durch wahre Kommunikation erfahre, fühle ich mich leichter und befreiter, und ich spüre eine große Dankbarkeit, dass mir die Gabe gegeben wurde, mich mitteilen zu können.

von Stephanie Purna Erkens

Der Artikel erscheint mit freundlicher Genemigung von www.prismamagazin.de, wo er als erstes veröffentlicht wurde.

Stephanie Purna Erkens ist die Initiatorin von www.klangderstille.com und begleitet als freie Medien- und PR-Beraterin Selbständige schwerpunktmässig aus dem künstlerischen und heilerischen Bereich in Fragen zu Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Tel. 089 62232612, www.spe-pr.com

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3 Kommentare

Kaan Özer 2. Dezember 2013 - 23:06

Ich danke dir sehr für diesen Artikel.
Endlich ein Artikel, den ich zwar zufällig gefunden habe, jedoch mich sofort hinein versetzen konnte.
Schade, dass man manche Sachen erst so spät versteht und man es dann schon bereut.
Dieser Artikel hat mich ein wenig mehr zum nachdenken gebracht und wird bestimmt auch zukünftige Handlungen von mir beeinflussen im Bezug auf Umgang mit anderen Mitmenschen.

Mit freundlichen Grüßen

Ein Jugendlicher den du zum Nachdenken gebracht hast.

Danke nochmals!

Stephanie Purna Erkens 10. April 2012 - 12:59

Vielen Dank, Maria. Tatsächlich war es heilend für mich, diese Erfahung nieder zu schreiben und mit anderen Menschen zu teilen. Von herzen Stephanie

Maria Kocher 6. April 2012 - 12:04

Stephanie Purna Erkens ….Danke für diesen einmaligen Artikel
Danke für die Veröffentlichung !!!
maria Kocher

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