Qi Gong der Spontanbewegungen: Ein Tanz! – Frithjof Krepp

von Thomas

Qi Gong ist mehr als Gesundheitsprävention. Qi Gong kann heilen, besonders dann, wenn man dem Qi die Freiheit dafür gibt. Dieser „Freiheitstanz“ des Qi’s beginnt aber erst nach der „normalen“ Qi Gong Praxis. Noch ist diese Möglichkeit in Deutschland nahezu unbekannt. Ihr Bekanntwerden könnte dem Qi Gong hierzulande einen kräftigen Aufschwung geben, weil bei diesem Qi Gong Stil die Selbstheilungskräfte enorm aktiviert werden, was zu den viel zitierten mystischen Qi Gong Wundern führen kann.

 von Frithjof Krepp

 

 

Meine ersten Erfahrungen mit den Spontanbewegungen:

Mitte der 1980er Jahre machte ich einen Taijiquan Basis Kurs bei einer Volkshochschule nähe Frankfurt/Main. Es war meine erste Begegnung mit dieser asiatischen Kunst, deren Hauptaspekte Gesundheit, Selbstverteidigung und Meditation sind. Ich lernte einen Teil des Yang Stils, eine Folge langsamer, fließender Bewegungen und praktizierte diese täglich etwa 20 Minuten. Einige Zeit nach Beendigung des Kurses stellte sich bei mir ein merkwürdiges Phänomen ein. Immer dann, wenn ich die Übung abgeschlossen hatte und entspannt stehen blieb, fing mein Körper an, sich von selbst unwillkürlich zu bewegen.  Manchmal weich und langsam, manchmal schneller, manchmal zuckend. Ich ließ dies zu, denn es war wie ein Tanz, aber ohne Musik, der sich gut und befreiend anfühlte. Da ich nie das Gefühl hatte, dass ich die Kontrolle über mich verlieren könnte, genoss ich diesen Zustand, bis er von ganz alleine wieder ausklang. Leider fand der Taijiquan Kurs keine Fortsetzung, und mein Interesse an weiterer Übungspraxis ebbte nach ca. zwei Monaten ab.

 

Meine Heilung durch das Qi Gong der Spontanbewegungen

Im Herbst 1987 begann für mich eine langjährige Gesundheitskrise mit permanentem Energiemangel und daraus resultierender verschiedenster Symptome. Heute würde man dazu Burnout Syndrom sagen. Ich konnte meinen Beruf als Lehrer an einer öffentlichen Schule ein halbes Jahr gar nicht ausüben. Auch danach war ein Einsatz nur mit 50% reduziertem Stundendeputat möglich. Es war eine lange Leidenszeit, in der ich viele verschiedene Therapien für mich anwandte, aber ohne durchschlagenden Erfolg.

Die Wende kam am Pfingstwochenende 1996. Ich hatte in einer Ankündigung des „Frankfurter Rings“ (Verein in Frankfurt/Main, der u.a. spirituelle Vorträge und Seminare organisiert) gelesen, dass die Qi Gong Großmeisterin Gao Yun mit ihrer Tochter Bai Yin erstmalig in Deutschland sei und an dem besagten Pfingstwochenende ein Qi Gong for Life-Seminar halten würden. Die Ankündigung sprach mich an, und ich entschloss mich, mir die beiden Frauen freitags, an einem Erlebnisabend, einmal anzuschauen, zumal ich über Qi Gong nichts wusste. Als Master Gao Yun im Rahmen des Abends ihre Qi Gong for Life Basis Form vorführte, berührte mich diese Vorstellung sehr, und ich entschloss mich kurzfristig an ihrem kommenden Wochenendseminar teilzunehmen.

Das Seminar fand in einem großen Saal mit über 60 Teilnehmern aus ganz Europa statt. Es hatte zum Ziel, dass am Ende der beiden Tage alle, neben der Erfahrung theoretischer Hintergründe des Qi Gongs, die ersten 18 Bewegungen der sogenannten Schwanen-Kranichübung des Qi Gong for Life-Stiles gelernt haben sollten.

Gegen Ende der Veranstaltung kündigte die Meisterin an, zum Abschluss der Übungspraxis Qi auf die Gruppe abgeben zu wollen, um den Teilnehmern den eigenen Qi Fluss zu erleichtern und zu verstärken. Hierzu sollten wir nach dem Ende der Übungsfolge einfach mit geschlossenen Augen entspannt stehen. Ich wusste nicht, was mich erwartete. Während ich eine angenehme Wärme, von den Fußsohlen ausgehend und über Füße und  Beine nach oben steigend, fühlte, nahm ich verstärkt viele Geräusche im Saal war. Ich öffnete kurz die Augen und sah eine Menge Teilnehmer, die sich spontan bewegten, manche sanft in den Armen und Hüften kreisend, manche mit den Füßen auftretend, manche mit schnellen zuckenden Bewegungen, manche gaben Töne von sich, manche weinten . . . Es war unglaublich. Wo war ich gelandet? Mein Geist riet mir, mich nicht ablenken zu lassen, wieder die Augen zu schließen und mich auf das einzulassen, was mit mir passierte, denn die innere Wärme war angenehm und breitete sich immer mehr in mir aus. Gleichzeitig fühlte ich mich immer schwereloser, und auch mein Oberkörper, meine Arme, Hände und Finger fingen an, sich unwillkürlich zu bewegen. Ich erinnerte mich an den Zustand, den ich fast zehn Jahre vorher nach meiner Taijiquan Praxis erlebt hatte. Nach ein paar Minuten dieses wirklich schönen Zustandes sagte Master Gao Yun, dass wir die Hände auf unseren Unterbauch legen und unser Bewusstsein dorthin fokussieren sollten, um das Qi dort einzusammeln. Dadurch hörten die Bewegungen rasch auf, und ich kam in einen Zustand tiefer, innerer Ruhe.

Ich folgte dem Rat von Master Gao Yun, den sie allen Teilnehmern zum Abschluss des Seminars auf den Weg gegeben hatte und praktizierte in den Folgemonaten täglich zweimal je ca. 20 Minuten Qi Gong for Life. Immer mehr spürte ich, auch ohne direkten Qi Empfang durch Master Gao Yun wie seinerzeit im Seminar, in den folgenden Wochen den Energiefluss. Die Spontanbewegungen am Ende der Übung zeigten mehr und mehr verschiedenste Formen. Dies fühlte sich durchweg angenehm an, egal was sich an Bewegungen oder auch Emotionen zeigte. Irgendwie schien dieser geheimnisvolle Tanz des Qi’s auch meinen Zustand zu verbessern, denn ich fühlte mich nach der Übungspraxis immer sehr gut.

Nach etwa vier Monaten hatten sich mein jahrelanger Energiemangel und die daraus resultierenden Symptome aufgelöst. Ich wieder gesund und in meiner Kraft!

In den folgenden Jahren begann ich, neben einer Qi Gong Lehrerausbildung bei Master Bai Yin, der Tochter von Master Gao Yun, Qi Gong auch bei anderen Lehrern zu lernen. Bei den meisten Lehrern waren die Spontanbewegungen gar nicht im Programm. Glücklicherweise begegnete ich im Shaolin Wahnam Institut in Frankfurt/Main Grandmaster Wong Kiew Kit, von dem ich vorher das Buch „Die Kunst des Qi- Gong“ gelesen hatte, ein Buch, in dem ich erstmals etwas über den geheimnisvollen freien Fluss des Qi’s gelesen hatte. Grandmaster Wong entstammt der Shaolin Tradition und hatte bereits 1997 die Auszeichnung weltbester Qi Gong Meister erhalten. In seinem Buch schreibt er, statt des Begriffs Spontanbewegungen, vom angeregten Qi Strom und von den Heilungen, die dadurch erreicht wurden und erreicht werden können.

Nach jeder Übungseinheit praktizierten wir in allen seinen Seminaren den angeregten Qi Strom. Aus seiner Sicht ist Qi Gong ohne Spontanbewegungen, wie er sagte, auf einem niedrigen Niveau und bessere Gymnastik. Wenn das so ist, fragte ich mich: Warum ist das Qi Gong der Spontanbewegungen in Deutschland nahezu unbekannt? Warum wird es in den Lehrerausbildungen nicht unterrichtet? Die Antwort findet man in der Qi Gong Entwicklung im China der 1980er Jahre.

 

Das Qi Gong der Spontanbewegungen in China

Das Qi Gong der Spontanbewegungen wurde, nach dem Ende der mörderischen Kulturrevolution unter Mao Tse Tung, im China der 1980er Jahre zu einer Massenbewegung. Es kam zu einem regelrechten Qi Gong Fieber, das das ganze Land zu erfassen schien und wurde zu einem Symbol des Aufbruchs nach etwa zehn Jahren Unterdrückung. Man fand sich in großen Gruppen, stellenweise zu Hunderten im Freien und in den Parks großer und kleinerer Städte, zusammen und praktizierte nach der üblichen Qi Gong Bewegungsfolgen des Kranich Qi Gongs Spontanbewegungen. Unter den Praktizierenden waren auch viele kranke Menschen und solche, die von den Ereignissen der letzten Jahre schwer traumatisiert waren. Diese verdanken in dieser Zeit dem angeregten Qi Strom Linderung und Heilung von selbst schwersten Erkrankungen. Leider wurde das Qi Gong der Spontanbewegungen nach einer raschen Blütezeit von der chinesischen Regierung verboten.

Dies hatte zwei Gründe. Konservative Richtungen des Qi Gongs sahen es als unmöglich an, dass man sich so extrovertiert in der Öffentlichkeit präsentierte, Emotionen zeigte, denn es kam auch zum Fließen von Tränen oder Wutausbrüchen. Aus traditioneller asiatischer Sicht kam dies einem „Gesichtsverlust“ gleich.

Die chinesische Regierung sah bald eine mögliche Gefahr, die von den Menschenmengen mit ihren sich frei bewegenden Körpern, von denen es in China immer mehr und mehr wurden, ausging. Wer sich frei bewegt, denkt demnächst das Wort Freiheit, spricht es aus, schreit es heraus, vielleicht mit einem Plakat auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Schnell hatte man den einen oder anderen Grund dafür gefunden, dieses politisch ungeliebte Qi Gong der freien Bewegung zu stigmatisieren. Es habe Verletzungen, ja sogar den einen oder anderen Todesfall gegeben, sagte man ihm nach. So verschwand das Spontan-Qi Gong mit seinem freien Fluss, zu Unrecht gebrandmarkt, wieder von der Bildfläche in China, nachdem es für einige Zeit große Hoffnung auf Gesundheit unter den Menschen gebracht und Begeisterung entfacht hatte.

Wer näheres dazu wissen möchte, dem empfehle ich die ausführliche Dissertation von Prof. Dr.Dr.Ots, der zu dieser Zeit in China war und seine Doktor Arbeit über das Qi Gong der Spontanen Bewegung schrieb unter dem Titel: Stiller Körper – Lauter Leib – Aufstieg und Untergang der jungen chinesischen Heilbewegung Kranich-Qi Gong.         

 

Das Qi Gong der Spontanbewegungen im Westen

Das Qi Gong der Spontanbewegungen verschwand zwar in der chinesischen Öffentlichkeit, um vereinzelt im Westen wieder aufzutauchen. Qi Gong Meister wie Master Gao Yun, Master Bai Yin, Grandmaster Wong Kiew Kit u.a., die die Spontanbewegungen als die Essenz der Qi Gong Praxis erkannt hatten, brachten diesen Stil in die westliche Welt, in die USA, Australien und Europa. Hier lebt er weiter und findet langsam mehr und mehr begeisterte Anwender. Mein Glück war es, diesen Lehrern zu begegnen und von ihnen lernen zu dürfen, wie man diesen freien Fluss der Energie, der den Körper spontan bewegt, in Gang setzt und seiner Kreativität Ausdruck verleiht, wodurch ein Raum entsteht, in dem das Qi in den Körper fließen kann, wo sich der sogenannte Yin und Yang Ausgleich vollzieht, das Qi die Blockaden in den Meridianen durchbricht, und Heilungsimpulse gesetzt werden.

Ich wünsche allen Qi Gong Praktizierenden diese wohltuende Erfahrung. Weiterhin hoffe ich, dass ich alle, noch nicht Qi Gong praktizierende Leser, mit diesem Artikel inspirieren konnte.

 

 

 

 

Über Frithjof Krepp :

Er ist Diplom Pädagoge und arbeitet langjährig als Qi Gong Lehrer und Lehrer für Meridianklopftechniken. Er gibt Wochenendkurse, Spezialkurse in Firmen, für Lehrkräfte, das Heil- und Pflegepersonal in Krankenhäusern und Seminarwochen auf Kreta. Qi Gong unter seiner Leitung wird von den gesetzlichen Krankenkassen mit mindestens 75 € bezuschusst.

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