Das Kreuz wird ursprünglich meist als im Kreis gezeichnet und stellt dabei das Sonnenrad mit den vier Himmelsrichtungen und Sonnwendpunkten dar. Es ist eine Verknüpfung von Raum und zyklischer Zeit. Die meisten traditionellen Lehren wie die jüdische Mystik symbolisieren den „Allmenschen“, hebr. Adam Kadmon, durch das Kreuz. Die vertikale Achse versinnbildlicht die Erschaffung des Raumes und die horizontale Achse die Manifestation der Zeit. Es kann auch so gedeutet werden, dass der Mensch in der Breite alle Möglichkeiten verwirklichen kann, die ihm zur Verfügung stehen, und in der Höhe die unterschiedlichen Stufen seiner spirituellen Entwicklung.
Die Verbindung der senkrechten und der waagrechten Linie lässt sich als Verbindung aller sich ergänzenden Möglichkeiten auffassen, nicht als Gegensatz, denn im Mittelpunkt des Kreuzes versöhnen sich die Gegensätze. Die Mitte stellt immer die Nabe eines Rades dar, den Nabel der Welt (→ Omphalos). Im Zentrum sind alle Unterscheidungen überwunden. Es ist auch der → heilige Ort. Die vertikale Linie symbolisiert auch die Weltachse, den → Weltenbaum der alten Schamanen (→ Schamanismus) oder den → Lebensbaum in der Genesis. Die christl. Symbolik setzt das Kreuz Christi mit diesem Lebensbaum gleich, durch die Erlösung wird nach dem Tod der Urzustand wiederhergestellt. In dieser neuen Rolle geht der Baum des Wissens im Baum des Lebens auf.
Während das ursprüngliche „griechische“ Kreuz gleichschenklig ist wurde im Christentum später das „lateinische“ Kreuz eingeführt, in dem die horizontale Achse gegenüber der Längsachse nach oben verschoben ist. Viele Grundrisse romanischer Kirchen basieren auf diesem Kreuz. Wenn man bei beim → Taoismus die vertikale Achse als Yang, Symbol des aktiven, dem Himmel zugeordneten Prinzips versteht, dann zeigt das lateinische, christliche Kreuz eine Dominanz über die weibliche Yin- bzw. Erdkraft an (→ Yin und Yang). Die Horizontale des Kreuzes, Symbol der Entfaltung, umfasst alle Ereignisse, die in der körperlichen Welt erfahren werden.
Das Kreuz symbolisiert auch den Scheideweg als Ort, wo sich die Wege der Lebenden und der Toten kreuzen, wie es in einigen afrikanischen Vorstellungen gesehen wird. Doch selbst in christlichen Ländern hat man an Wegkreuzungen Kreuze aufgestellt, um „böse“ Kräfte abzuwehren. Doch an einer Wegkreuzung kann sich der Mensch auch neu entscheiden, in welche Richtung er gehen will. Siehe auch: → Labyrinth, → Voodoo.
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