Phänomen der „Gleichzeitigkeit“. Kartenlegen (→ Tarot), Stäbchenwerfen (→ I Ging), der Flug von Vögeln, Linien im Sand und vieles andere mehr (→ Orakel) bringt eine einmalige Situation ins Blickfeld des Fragenden. Die Möglichkeit, eine „richtige“ oder angemessene Antwort zu erhalten, besteht aufgrund des Phänomens der Gleichzeitigkeit. Gleichzeitigkeit ist vergleichbar mit zwei Stimmgabeln, deren Schwingungen sich gegenseitig auslösen.
Es ist für viele Menschen schon üblich geworden, bei einer „zufälligen“ Begegnung zu sagen: „Es gibt keine Zufälle.“ Gibt es tatsächlich keine zufälligen Ereignisse (→ Karma) oder muss man einen Unterschied zwischen reinem Zufall und „bedeutungsvollen Gleichzeitigkeiten“ sprechen, wie es der Psychologe C.G. Jung formulierte? Es gibt viele Geschichten darüber, wie verschiedene zufällige Ereignisse plötzlich aufeinander treffen und Ereignisketten bilden, obwohl sie in keinem kausalen Zusammenhang stehen. C.G. Jung prägte dafür den Begriff der Synchronizität. Der Physiker Wolfgang Pauli, der mit Jung über dieses Thema diskutierte und arbeitete, bezeichnete dasselbe Phänomen als „nichtkonstante Verbundenheit durch Zufall, Gleichwertigkeit oder Sinn“.
Der Gedanke, dass eine Synchronizität sinnvoll sein kann, ist der Schlüssel zu dieser Idee. Zufallsereignisse können Muster durch reinen Zufall ergeben, das Wesen der Synchronizität ist jedoch, dass das entsprechende Muster für den, der es erfährt, einen Sinn oder Wert besitzt. Synchronizitäten spiegeln unsere geistigen, inneren Prozesse wider und nehmen dabei die Form äußerer Manifestationen an.
Es gibt also Begegnungen, die tatsächlich nur zufällig vorkommen, genauso, wie jemand eine Grippe bekommt. Die Grippeviren suchen sich nicht jemand Bestimmten aus, ihre Eigenart ist es, sich von Träger zu Träger auszubreiten. Es ist natürlich möglich, auch in dieses Ereignis einen Sinn hineinzudeuten, z.B. dass man die Grippe nur bekommt, weil man infolge schlechter Ernährung etwa ein schwaches Immunsystem hat. Wenn man diese Kausalität weiterdenkt, muss man noch die zufällige Begegnung mit einem Grippewirt anfügen, der wiederum selbst ein Opfer ist.
Synchronizitäten stehen den Forschungen zufolge oft mit Phasen der Wandlung in Zusammenhang, z.B. mit einer neuen Liebe, einer Psychotherapie, einer intensiven schöpferischen Arbeit oder dem Wechsel eines Jobs. Es scheint, dass diese innere Umstrukturierung einen Ausbruch mentaler innerer Energie bewirkt, der sich dann in die → Bewusstseinsfelder anderer Menschen fortpflanzt. Synchronizitäten treten auch vermehrt bei Menschen auf, die sich durch ihre Bewusstseinsarbeit im gleichen oder parallelen Bewusstseinsfeld befinden wie andere „Gleichgesinnte“.
Eine andere brauchbare wissenschaftliche Erklärung bietet der Begriff des → morphogenetischen Feldes an, den der Biologe Rupert Sheldrake bildete, um Erscheinungen, die scheinbar ohne Zusammenhang sind, aufeinander beziehen zu können.
Die Gleichzeitigkeit ist für John G. → Bennett, einen weiteren Theoretiker dieses Phänomens, eine Erscheinung der noch ungeformten Welt – dort also, wo Formen erst entstehen. Bevor die Dinge eine feste Gestalt in der Welt der Körper angenommen haben, ist es möglich, dass übereinstimmende Situationen entstehen können. Der gegenwärtige → Augenblick ist nicht auf die körperliche Empfindung begrenzt, sondern geht über Zeit und Raum hinaus. Man kann diese Dimension als Potenzialmuster bezeichnen. Die Physik operiert tatsächlich mit dem Begriff der potenziellen Energie (→ Ewigkeit); ein Beispiel dafür ist das Pendel. Wenn das Pendel ausgeschlagen hat, verharrt es Sekundenbruchteile an einer Stelle, bis es wieder zur nächsten Seite schwingt. In diesem Moment der Ruhe wird die potenzielle Energie „aufgebaut“, die das Pendel dann weiter schwingen lässt.
Sehr häufig sprechen wir davon, dass etwas gerade „passt“, dass es genau der Situation entspricht, in der wir uns befinden. Diese Erkenntnis kommt dann, wenn wir zu einer Situation „aufwachen“, wenn uns Bedeutungen bewusst werden. Sind wir nicht in Kontakt mit einer Situation, so entsteht häufig das Gefühl, irgendetwas sei nicht richtig. Menschen, die durch Fähigkeit und Entwicklung den horizontalen – normalen – Zeitablauf und die vertikale → Traumzeit – die „andere“, zeitlose Dimension – verbinden können oder gleichzeitig diese Parallelwelten wahrnehmen, können Ereignisse oder Erlebensmuster interpretieren. Sie sehen einen Sinn hinter scheinbaren Zufälligkeiten – die aber durch ihre Wahrnehmung „zufällig“ doch nicht ohne Bedeutung sind.
Jede Situation ist für sie gekennzeichnet durch die Verbindung von Raum, Muster und den Einfluss einer schöpferischen Dimension. Der Begriff der „Gleichzeitigkeit“ ist somit eher irreführend: Man kann keine Äpfel und Birnen vergleichen. Das bedeutungsvolle Ereignis (Er-Äugnis = von Auge – sehen) hat vielmehr etwas mit seinem Auftauchen aus einem Bereich zu tun, der nicht den normalen Zeitgesetzen unterliegt. Ohne dieses Auftauchen von Ideen oder Situationen, die nicht vorher da waren bzw. nur im Bereich der Möglichkeiten existierten, könnte nichts in dieser Welt verwirklicht werden.
Das Legen von Karten oder das Werfen von Stäbchen ist für „Normalsterbliche“ ein Mittel, eine Brücke zu der Welt potenzieller Ereignisse herzustellen. Selbstverständlich ist kein Ereignis wirklich, wenn es nicht verwirklicht wird. Das Befragen eines → Orakels kann zwar mit Zusammenhängen verbinden, die wir vielleicht wegen geringer Entfaltung „übersinnlicher“ → Wahrnehmungsfähigkeit nicht sehen können, doch die Gestaltung der gesehenen Bedeutung liegt an uns – und schafft neue Richtungen.
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