Theosophie

von Lexikon

„Das göttliche Leben ist der Geist in allem Bestehenden, vom Atom angefangen bis zum Erzengel → Engel; das Staubkörnchen könnte nicht vorhanden sein, wäre Gott nicht in ihm, und der erhabenste Seraph ist nichts als nur ein Funken des göttlichen Feuers, welches Gott ist. Und so bilden wir eine Bruderschaft, die wir an dem einen Leben in Gott teilnehmen. Das Durchdrungensein von Gott und das Wohnen in Gott sowie die Solidarität der Menschen, das sind die Grundwahrheiten der Theosophie.“ (Annie Besant)

Theosophie ist das Wissen vom Göttlichen und in diesem Sinne gnostischer Natur (→ Gnosis). Man kann sagen, dass die westliche Gnosis sich als Theosophie über die Ideen der → Neuplatoniker, die → Kabbala und → Alchemie weiterentwickelte. So nannte der Mystiker Jakob → Böhme (1575-1624) seine Gedankenwelt „Theosophie“.
In ihrer zeitgenössischen Ausprägung ist diese eng mit Namen wie Helena → Blavatsky (1831-1891) und Alice → Bailey (1880-1949) verknüpft. Auch wenn die Theosophische Gesellschaft, die 1875 von Helena Blavatsky zusammen mit Henry S. Olcott in New York gegründet wurde, heute längst nicht mehr ihre ursprüngliche Bedeutung hat, kann man doch behaupten, dass ihr Weltbild und ihre Begriffe von der New-Age-Bewegung geradezu aufgesaugt wurden.
Die Existenz „vollkommener“ Menschen und die Möglichkeit, mit ihnen in Kontakt zu kommen und von ihnen zu lernen, ist eine der wesentlichen Grundideen der Theosophie. Ihre verschiedenen Werke sprechen von einer geistigen „Hierarchie“, welche die Menschheit unsichtbar führt (→ Meister, unsichtbare). Die Gedankenwelt der Theosophen ist so komplex, dass es anzuraten ist, einige der Hauptwerke zu lesen. Die Theosophie versteht sich nicht als neue Religion, sie nimmt Einflüsse aus dem → Buddhismus, → Hinduismus, dem → Yoga und den westlichen Traditionen wie den → Rosenkreuzern und magischen Eingeweihten auf. In diesem Sinne bildet sie eine synkretistische Lehre. Die genannten östlichen Wege sollte man allerdings besser anhand der Originalquellen studieren, auch wenn die Theosophen wichtige Impulse für ihre Verbreitung gaben. Übrigens ist ein wichtiges Zentrum der Theosophischen Gesellschaft noch heute im indischen Madras zu finden.
Als Geisteswissenschaft versucht die Theosophie, die Gesetzmäßigkeiten zu verstehen, die sich in der Schöpfung und dem menschlichen Leben verbergen. Sie geht davon aus, dass zu jeder Zeit ein → Avatar oder göttlicher Sendbote im Auftrag der geistigen Hierarchie den Menschen zu seiner Vollkommenheit leitet und sich diese Evolution auch in der Evolution der Menschheit niederschlägt. Mit jedem Avatar wurde ein anderer Aspekt der göttlichen Weisheit“ fokussiert, was von Alice Bailey als die Lehre der sieben Strahlen formuliert wird. Sowohl die sieben Hauptplaneten als auch die sieben Weltebenen stehen zu den sieben Strahlen in einer engen Beziehung. Die Strahlen werden auch „Erzengel“ genannt (Michael, Gabriel usw., → Engel). Die sieben Strahlen setzen sich aus den drei Göttlichen Hauptaspekten Kraft, Liebe und Weisheit zusammen. Strahl eins entspricht der Willenskraft, Strahl zwei der Liebe, Strahl drei dem schöpferischen Denken, Strahl vier der Kunst, Strahl fünf dem Verstand, Strahl sechs der Mystik, Strahl sieben dem Ritual und der Übung.
Der Suchende kann heute noch viele inspirierende Theosophen finden, besonders in England, wo die Theosophie immer stark verankert war. In Deutschland wurde sie von der → Anthroposophie verdrängt, die in vielerlei Hinsicht aus der Theosophie hervorgeht.
Ebenso aus der Theosophie kam der indische Lehrer Jiddu → Krishnamurti (1895-1986), der von Annie Besant als „Messias“ unserer Zeit verkündet wurde, sich dann aber selbstständig machte und alle Kulte, organisierten Religionen und Ideologien verwarf. Er lehrte einen direkten Weg der Erkenntnis im Sinne eines nichtdualistischen → Vedanta. Der Sucher soll zu seinem eigenen, inneren Guru aufwachen und nicht einem äußeren folgen, was ihn nur weiter im Schlaf halten würde.
Ein praktisches → New-Age-Experiment ist die bekannte Lebens- und Lehrgemeinschaft in Findhorn, die von den Theosophen Eileen Caddy, Peter Caddy und Dorothy Maclean begründet wurde. Die heutigen Theosophen sind offen und nicht dogmatisch, da sich ihre Lehre aus vielen Quellen speist.

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