Freimaurer

von Lexikon

Die moderne Form der Freimaurerorganisation entstand im Jahre 1717, als die engl. Logen sich zur United Grand Lodge of England vereinigten. Die Logen gehen wahrscheinlich auf die → Bauhütten der Kathedralen zurück (die vom → Templerorden organisiert und finanziert wurden) und bewahren eine gewisse Symbolik der Einweihung.
Die Baumeister verfügten ursprünglich über erstaunliche Kenntnisse. Louis Charpentier (1972) betont in seinem Werk „Die Geheimnisse der Kathedralen“:

„Man vergisst gewöhnlich, dass der Bau – im großen wie im kleinen – von Menschen geschaffen wurde, die wussten, was sie taten. Weil man sie nicht kennt, nicht weiß, woher ihnen ihr Wissen kam, fügt sich Geheimnis an Geheimnis. Ihr Wissen aber muss beträchtlich gewesen sein. Notre-Dame von Chartres ist siebenhundert Jahre alt; sie hat neben den unvermeidlichen Verwitterungserscheinungen mindestens einem heftigen Brand getrotzt … Wir aber wissen von den hervorragenden Architekten, die den Bau erdachten, von den Baumeistern, die ihn ausführten, so gut wie nichts.“ (Louis Charpentier 1972, 12)

Die Baumeister schufen das „breiteste gotische Gewölbe, das wir kennen, und eines der höchsten zugleich“. Woher kam das Wissen, das dazu nötig war? Als die Kathedrale von Chartres entstand, waren allein in Nordfrankreich an die 20 Kathedralen im Bau. Wer gab das Geld dafür? Und wie rekrutierte man so viele Zimmerleute, Maurer, Steinmetze und Bildhauer, deren Kenntnis und Anzahl ausreichte, steinerne Kirchenschiffe von so ungeheurer Größe zu bauen? Charpentier: „Dieses Aufsprossen von Kathedralen war gewollt. Es war gewollt von einer Organisation, die das nötige Wissen besaß, die fachkundige Baumeister zur Verfügung hatte und außerdem die Mittel, jene zu bezahlen“ (Louis Charpentier 1972, 13).
Die ersten Freimaurer waren keine Baumeister mehr, Geistliche und Edelleute schlossen sich zu einer aufklärerischen, humanitären Gemeinschaft zusammen. Unter „Arbeit“ versteht der Freimaurer vor allem die Betätigung in den Logen. Grade, Rituale und Symbole bestimmen die maurerische Arbeit. Die Grade bezeichnen die Lehrstufen der Einweihung. Im Grunde geht es hier wie bei den mittelalterlichen Zünften um die Stufen Lehrling, Geselle und Meister (bei den heutigen Freimaurern im geistigen Sinne verstanden). Die Zahlen sind teilweise symbolisch zu verstehen. Der 33. Grad des Schottischen Ritus etwa ergibt sich aus einer kabbalistisch-sufischen Verschlüsselung (→ Abjad) für den Namen Mohammed (Zahlenwert 132 oder 32 + 1). Die Zahl 33 wird von den Baumeistern in ein Pentagramm, manchmal auch in den sechszackigen Stern Salomons eingeschrieben.
Die ägyptische Herkunft bedeutet nicht, dass die Freimaurer auf ägyptische Überlieferungen zurückgehen, sondern Ägypten steht verschlüsselt für die schwarze Kunst, die Kunst des Erkennens, die auch in der Alchemie praktiziert wurde. Kabbalistische Einflüsse zeigen sich wiederum in der Ausstattung des Freimaurertempels. Selbstverständlich ist der „behauene Stein“ ein eindeutig alchemistisches Symbol – Stein der Weisheit –, wobei der Quaderstein auf die quaderförmige Kaaba, den islamischen Tempel von Mekka, hinweist; der Omphalos-Stein als Nabel der Welt ist eine noch ältere Überlieferung (→ Weltzentrum). Bei ihren Ritualen lesen die Freimaurer denn auch interreligiös aus allen Büchern der Weltreligionen, der Bibel, des Korans und anderen.
Die verschiedenen Freimaurerorden hatten großen politischen Einfluss. So trägt etwa die amerikanische Dollarnote heute noch ein freimaurerisches Symbol. Der größte Teil der Unterzeichner der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und auch die ersten amerikanischen Präsidenten wie Thomas Jefferson und George Washington waren Freimaurer. Da der Freimaurerei die Urheberschaft an der Französischen Revolution nachgesagt wurde, wurden die Orden im 19. Jh. verfolgt. Ganz sicher haben die maurerischen Ideale „Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit“ an den geistigen Grundlagen der Revolution ihren Anteil. Auch im Dritten Reich stellte man den Freimaurer nach. Schuld daran war die Verknüpfung von Antisemitismus und Freimaurerfeindschaft, die auf die Legende einer Weltverschwörung von Zionismus und Freimaurern zurückgeht. Inzwischen ist belegt, dass die Dokumente des Ordens von Zion, der diese angebliche Verschwörung in die Welt gesetzt hat, eine Fälschung sind.
Selbstverständlich haben Freimaurer gesellschaftlichen Einfluss, weil sie sich meistens aus vermögenden Schichten rekrutieren. Doch wahrscheinlich ist die Verschwörungstheorie, die immer wieder kursiert, auf Menschen zurückzuführen, die ihren mangelnden Einfluss auf die Geschehnisse der Welt neidisch auf Menschen projizieren, die versuchen, ihre freigeistigen Ideale im gesellschaftlichen Leben umzusetzen. Den Freimaurergemeinschaften gehörten immer wieder große Architekten, Ärzte und Wissenschaftler an, weil sie dort ein gesellschaftliches und rituelles Forum für ihre geistigen Ideale fanden.
Es gibt eine Reihe von Gruppierungen, die mit den Freimaurern in Verbindung gebracht werden, doch nichts mit ihnen zu tun haben. Dies sind sowohl geschäftliche Verbindungen mit sozialen, humanitären Zielen wie die Rotarier oder der Lions-Club oder gnostische Abkömmlinge wie die Rosenkreuzergruppe AMORC, der Druiden-Orden, die Psychosophische Gesellschaft und andere.

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