Engel

von Lexikon

Engel (von griech. angelos, „Bote“)
Im Judentum, Christentum und auch im Islam sind Engel unsterbliche Wesen, die als Mittler zwischen Gott und den Menschen fungieren. In zwei grundlegenden Werken, der „Himmlischen Hierarchie“ des → Dionysios Areopagita und der „Summa Theologica“ des Thomas von Aquin, ist die Rede von neun himmlischen Klassen oder Ständen, die in hierarchischer Ordnung den Thron Gottes umkreisen wie die Planeten die Sonne. Die Hierarchie wird in drei Gruppen unterteilt, die sehr stark an die → Sefiroth erinnern. In der oberen Triade kreisen die Seraphim, Cherubim und Throne, in der mittleren Triade die Herren, Mächte und Gewalten, in der untersten Triade bewegen sich die Fürstentümer, Erzengel und gewöhnlichen Engel.
Die Engelsvorstellung entstammt dem gnostischen Weltbild, das dann von den davon beeinflussten Religionen übernommen wurde. Die gnostische Idee basiert auf der Emanation, dem Herausschleudern oder Ausströmen von Eigenschaften aus der göttlichen Einheit. Die göttlichen Attribute und Qualitäten wie Liebe, Macht, Wille, Barmherzigkeit usw. entsprangen damit der Quelle. Nachdem diese Qualitäten manifest wurden, nahmen sie eigene Identitäten an und wurden zu unabhängigen Wesenheiten. Die Wesenheiten, die aus diesem Prozess hervorgingen, wurden ursprünglich als Äonen bezeichnet, eine Klasse himmlischer Wesen mit unterschiedlichen Eigenschaften und Machtbefugnissen. Die Äonen, die göttliche Qualitäten und deren Erscheinung, Form und Fähigkeit repräsentieren, wurden unter dem Gattungsnamen „Engel“ zusammengefasst und hierarchisch geordnet. Auf allen drei Ebenen gibt es nicht nur die anfangs genannten Gattungen, sondern innerhalb dieser Gattungen eine weitere Vielzahl verschiedener Engelwesen. Henoch hat die obersten sieben Erzengel benannt: Uriel, Raphael, Ragiel, Michael, Zerachiel, Gabriel und Remiel. El bedeutet im Hebr. „Licht“. Gabriel verkündigte nicht nur Maria die Geburt Jesu, sondern übermittelte auch dem Propheten Mohammed den Koran.
Einer gnostischen Theorie zufolge steht es eigentlich in Gottes Macht, vollkommene Wesen zu erschaffen; doch dann hätten diese keinen → Willen, sie wären Marionetten, die nicht die Seligkeit erfahren könnten, welche der Lohn von Erkenntnis (gnosis) und Anstrengung sei. Deshalb heißt es, dass Gott als letzte Geste auf die Ausübung seines Willens (thelema, → Crowley) über die Äonen verzichtete und sie mit dem Geschenk des freien Willens ausstattete.
Der freie Wille braucht aber einen Ort, an dem er etwas bewirken kann, sodass diese Entscheidung katastrophale Auswirkungen hatte. Denn da, wo sich der Wille Gottes zurückzog, herrschte der Wille seiner Widersacher, der Archonten. Die biblischen Begriffe wie „Herr“ „Herrscher“ oder „Fürst“ sind Übersetzungen des Worts archon. Meist werden die Archonten mit dem Bösen gleichgesetzt. Die Anbetung und Zuhilfenahme von guten Engeln und Schutzengeln kam erst einige Jh. später auf (→ Dionysios Areopagita).
Das Urbild unserer Engelvorstellung mit weißen, gefiederten Flügeln stammt vermutlich aus den alten schamanisch geprägten Kulturen, die es auch in Europa gab. In diesen Vorstellungen erhebt sich eine Schlange aus der unteren Welt und durchfliegt als „gefiederte Schlange“ die drei Welten, die sie so verbindet. Hinweise in alten Überlieferungen lassen den Schluss zu, dass die Erdmutter „Frau → Holle“ ihren schamanischen Flug durch die Welten als Gans oder mit einer Gans bewältigte. In vielen → Mythen ist es die Gans, die das goldene Ei legt, aus dem die Sonne geboren wird. Einige ägyptische Überlieferungen bezeichnen die Gans sogar als Schöpferin der Welt, weil sie das gesamte Universum in einem Ur-Weltei erschuf. In Ägypten wurde die Nilgans auch gleichzeitig als Mutter Hathor verehrt, die Patin und Beschützerin aller Kinder.

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